Ein Beitrag von unserem Mitglied Dr. med. Margret Brehm
Bogenschießen ist zwar kein Trendsport, gehört aber zum Behindertensport
von der ersten Stunde an. Ob Griechen, Perser, Ägypter, Chinesen oder die
Völker Afrikas und Asiens - in fast jeder Kultur spielte der Bogen als
Jagd- und Kriegswaffe lange Zeit eine wichtige Rolle. Erst die Erfindung
des Schießpulvers hat dieses erste mechanische Gerät des Menschen
verdrängt. Dem heutigen Durchschnittsbürger sind gerade mal Amors Pfeile
geblieben, die ihn gelegentlich mitten ins Herz treffen. Einige
Zeitgenossen haben sich darüber hinaus Pfeil und Bogen zum Hobby gemacht.
Vor allem in England ist das Bogenschießen schon über 300 Jahre
Traditionssport. Hier nahm es auch seinen Anfang als Behindertensportart.
Der legendäre Sir Ludwig Guttmann, Pionier in der Rehabilitation von
Querschnittsgelähmten baute nach dem 2.Weltkrieg Bogenschießen in sein
Behandlungskonzept ein. Er entdeckte damit ein ideales Gerät für Therapie
und Freizeit von Rollstuhlfahrern. Die meisten Querschnittszentren und
Behindertensportverbände bieten heute diese Sportart an. Leider besteht bei
der jüngeren Generation wenig Interesse und die Vereine klagen über
mangelnden Nachwuchs. "Auf den Turnieren sieht man nur noch alte Köpfe."
meint ein Aktiver. Liegt es daran, dass während der Reha zu wenig
motiviert wird, oder schrecken die langen Trainingszeiten, die man braucht
um erfolgreich zu sein?
Gleichberechtigtes Miteinander!
Im Prinzip kann jeder behinderte Mensch den Umgang mit Pfeil und Bogen
erlernen. Nur chronische Formen von Geisteskrankheit und Blindheit hat der
Gesetzgeber aus Sicherheitsgründen ausgeschlossen.
Als Therapie...
kräftigt der Bogensport Rücken- Brust- und Schultermuskulatur. Er trainiert
das Konzentrationsvermögen und die für Rollstuhlfahrer so wichtige
Sitzbalance. Ein ganz besonderer Aspekt ist aber, dass bei dieser Sportart
der Behinderte sich ohne Regeländerung mit nichtbehinderten Schützen im
Verein oder Wettkampf messen kann. Behinderte und Nichtbehinderte sind
völlig gleichgestellt. Turniere finden auf allen Ebenen statt. Von der
Vereinsmeisterschaft bis hin zu internationalen Begegnungen können sich die
Schießbegeisterten messen. Reine Behindertenmeisterschaften beginnen
allerdings mangels genügend Aktiver erst auf Landesebene. Positiv ist, dass
diese Sportart allein, in der Gruppe, im Freien und auch in der Halle
ausgeübt werden kann. In der Halle trennen den Schützen 18 Meter von der
Zielscheibe. Im Freien muss er sein Können aus gar 50, 70 und 90 Metern
unter Beweis stellen. Zweimal pro Woche sollte man trainieren, um bei einem
Turnier mithalten zu können. Die Klasseneinteilung erfolgt nach Alter und
Bogenart. Zur Ausrüstung benötigt der Anfänger einen Bogen, Pfeile sowie
Arm- und Fingerschutz. Auch Tetraplegiker können mit individuellen
Hilfsmitteln am Bogen und speziellem Fingerschutz die Sehne spannen.
Wichtig ist, dass der Bogen dem Zuggewicht des Schützen entspricht. Damit
ist nicht sein Körpergewicht gemeint, sondern die Kraft die er benötigt, um
den Bogen maximal zu spannen. Ob man nun mit einem einfachen Langbogen,
einem Recurve-Bogen oder einem Compoundbogen beginnt, sollte man
ausprobieren. Die meisten Schützenvereine, bei denen auch Rollstuhlfahrer
willkommen sind, haben eine Abteilung für Bogenschießen. Sie leihen dem
Anfänger kostenlos Geräte. Auch Bogenhändler bieten bei einer Leihgebühr
von 50-70 Euro pro Halbjahr Bögen an.
Konzentration und Meditation!
Den Bogen spannen, auf die Scheibe zielen, sich auf den schwarzen Punkt
konzentrieren, loslassen und die Sorgen fliegen mit dem Pfeil. Was auf den
ersten Blick wie ein Kinderspiel aussieht, erfordert viel Ausdauer, Übung
und mentales Training.
Schon der chinesische Philosoph Konfuzius meinte 550 vor Christus: "Beim
Ziehen des Bogens kann man Tugend und Verhalten eines Menschen erkennen."
Im Zen-Buddhismus Japans spielt das Bogenschießen eine ganz besondere
Rolle. Pfeil und Bogen ist hier ein Instrument der Meditation. Die reine
Technik muss überschritten werden. Zur Perfektion braucht man Jahre! Der
Schütze strebt eine Harmonie von Bewußtem und Unbewußtem an.
Selbsterkenntnis und innere Ruhe sind das Ziel. Das Loslassen der Sehne,
sanft und ohne Ruck, ganz wie von selbst, das ist die Meisterleistung.
Vielleicht neben dem rein sportlichen Aspekt des Bogenschießens ein
möglicher Weg mit sich und der Behinderung in Einklang zu kommen.